Heimische Tiere fotografieren: Rehwild im Wonnegau
Im letzten Teil meines Blogs "Heimische Tiere zu jeder Jahreszeit“ waren wir zu Besuch bei den überwinternden Gänsen am Niederrhein. Jetzt, im Frühjahr, verschlägt es mich in eine ganz andere Region Deutschlands. Ins Wonnegau. Zwischen Worms und Mainz liegt dieser traumhafte, vom Weinbau geprägte Landstrich.
In Reih´ und Glied stehen überall, wohin man schaut, die Wein-Reben im Spalier.
Der Himmel mit seinen pastellfarbenen Tönen wirkt zum Greifen nah, die Landschaft ist wie gemalt, ein Hauch Toskana liegt in der Luft.
Das scheint auch die Tiere anzuziehen.
Zwischen den Reben finden sie ausreichend Deckung, an Kräutern und Gräsern mangelt es nicht.
Auf den hohen Zaunpfählen warten Turmfalken und Bussarde auf Mäuse, Hasen verharren in ihre Sasse gekauert zwischen dem wuchernden Wein. Hin und wieder schnürt ein Fuchs vorbei.
Heute ich will ich mich vor allem den Rehen widmen, die Füchse werden wir zu gegebener Zeit im Vogelsberg besuchen.
Aber wie findet man die scheuen Waldbewohner, wo weit und breit kein Wald vorhanden ist?
Die Rehe in den Weinbergen des Wonnegaus benötigen gar keinen Wald, da die Weinberge beste Möglichkeiten des Versteckens und ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot bieten.
Zwischen den Reben wachsen Kräuter, Sämereien und Gräser, aus denen die wählerischen Tiere nur das Beste aussuchen.
Die Struktur der Weinberge bietet beste Beobachtungsmöglichkeiten, da nur zwei Richtungen vom Rehwild „überwacht“ werden müssen. Nähert sich potentielle Gefahr, kann in die Gegenrichtung geflohen werden.
Das Rehwild verbringt einen Großteil des Tages mit dem Verdauen der vorangegangenen Mahlzeit.
Und so liegen sie lange Zeit unbeweglich zwischen den Weinreben. Wer wenig Zeit hat, wählt das Auto, um nach den Tieren zu suchen. Vor allem auf den kleinen verschlungenen Straßen, die die Dörfer des Wonnegaus verbinden, lässt sich langsam an den Weinbergen vorbei fahren, immer den Blick zwischen die Reben, natürlich nur, wenn sie im 90 Grad Winkel von der Straße angelegt sind.
Besser nehmt ihr euch einen Beifahrer mit, um zwei Augen auf der Straße zu haben.
Wer ein Reh entdeckt, bleibt am besten im Auto sitzen. An die vorbeifahrenden PKW sind die Tiere längst gewöhnt und so kann man bequem anhalten und aus dem Auto heraus die Tiere beobachten und fotografieren.
Leider ist die Perspektive oft nicht so gut, je nachdem, ob die Tiere hangabwärts oder hangaufwärts zu sehen sind.
Wer mehr Zeit mitbringt und mit dem Anpirschen vertraut ist, der sollte sich besser zu Fuß auf den Weg machen. Die allermeisten Wege in den Weinbergen sind gut begehbar, lästig ist nur, das Equipment mit sich herumzutragen.
Jedenfalls kann man so viel langsamer die Zwischenräume der Reben beobachten und sieht deutlich mehr als aus dem fahrenden Auto.
Wenn ihr ein Reh gesichtet hat, lauft am besten im normalen Tempo weiter, so schöpft das Tier keinen Verdacht und flieht vermutlich nicht.
Das Anpirschen macht natürlich nur Sinn, wenn ihr euch gegen den Wind mit unauffälliger Kleidung bewegt. Ansonsten wittern euch die Tiere, lange bevor ihr sie gesehen habt und sind längst verschwunden.
Lauft ein Stück weiter, dann macht halt und schleicht euch geräuschlos und unauffällig zurück. Sucht euch hinter den Reben ausreichend Deckung und wartet ab, wie die Tiere reagieren. Im besten Fall bemerken sie euch gar nicht und ihr könnt gleich mit dem Fotografieren beginnen.
Wer lange Brennweiten besitzt, der sollte in jedem Fall dafür sorgen, dass die Kamera samt Objektiv nicht wackelt. Nutzt ein Stativ oder einen Bohnensack, um Stabilität in euer Equipment zu bekommen.
Solange die Tiere auf dem Boden ruhen, könnt ihr auch mit längeren Verschlußzeiten arbeiten, 1/125 sec reichen dann meist aus, ihr könnt auch die Umgebung durch eine kleinere Blende mit ablichten. Sobald sie in Bewegung sind, sollte die Verschlusszeit sehr kurz sein, bei den heutigen ISO-Möglichkeiten (ich nutze teils ISO-Einstellungen bis 2500) ist dies ohne weiteres möglich.
Wer nah an die Tiere rankommt und die Möglichkeit eines formatfüllenden Porträts hat, dem empfehle ich eine geringe Tiefenschärfe, also eine kleine Blende bis F4.0/F4.5. Das grüne Laub der Reben gibt einen prima unscharfen Hintergrund ab.
Die „Schluchten“ zwischen den Reben bieten tolle Linien, die ihr mit ins Bild aufnehmen könnt. Sie können das Bild in zwei Hälften teilen, um das Reh in der Mitte zu zentrieren, oder als Stilmittel in der 2/3 Regel genutzt werden.
Falls die Tiere euch wahrnehmen, was ihr sofort bemerkt, da sie dann in eure Richtung blicken, macht keine hektische Bewegungen, am besten gar keine, die Tiere nehmen diese sehr gut wahr. Verharrt starr, bis die Rehe sich wieder mit etwas anderem beschäftigen. Wenn sie beginnen zu fressen, könnt ihr sicher sein, dass sie euch, zumindest für den Moment, nicht als Bedrohung wahrnehmen.
Ich persönlich bin ein Fan davon, die Tiere nicht im absoluten Close-up zu fotografieren, sondern setze auch gerne kürzere Brennweiten ein, um die Tiere in ihrer Umgebung festzuhalten.
Geht zu verschiedenen Tageszeiten los, das Licht im Wonnegau hat eine wirklich schöne, intensive Farbe, die ihr in euren Bildern festhalten könnt. Und wenn ihr wider Erwarten doch keine Rehe, Greifvögel oder Hasen finden solltet, dann bleibt immer noch das Weitwinkel- Objektiv, um die Schönheit der Landschaft festzuhalten.
Und nun, viel Freude beim Fotografieren.
Herzlichst, Euer
Sven Meurs
Alle hier gezeigten Fotos und Texte unterliegen dem Urheberrecht des Autors.
Die anderen Blogbeiträge von Sven zum Theme "Heimische Tiere zu jeder Jahreszeit" könnt Ihr hier nochmal nachlesen:
Herbst: Hirsche im Königsforst
Winter: Wildgänse am Niederrhein
Und vielleicht interessieren Euch auch diese Filme: