Diskussion um Rechteabtretung bei Konzertfotografie
Aktuell stehen wieder mal einige Künstler im Kreuzfeuer, weil sie den Fotografen “Knebelverträge” vorschreiben.
Musikfotograf Guido Karp, der bereits zahlreiche internationale Stars und Band fotografisch begleitet hat, schreibt an dieser Stelle als Gastkommentator, wie er die Sache sieht:
"Spannend (in Vermeidung von "journalistisch extrem fragwürdig") ist, dass immer nur eine Seite Gehör findet, nämlich die der wütenden Fotografen.
Nehmen wir die ganze Emotionalität mal raus und ergänzen die Faktoren, so dass zumindest mal sauber die ganze Geschichte dargestellt wird:
Fall 1
Fotograf X fragt an, ob er für Medium Y das Konzert von Künstler Z fotografieren darf. Künstler Z, vertreten durch Management oder Veranstalter, ist einverstanden.
Vor Ort gibt es dann eine Vereinbarung, die genau das bestätigt:
Fotograf X darf für Medium Y soundsovielte Songs des Künstlers Z fotografieren und diese in Y veröffentlichen.
X ist plötzlich empört, dass er, anders als angefragt, seine Fotos nicht für immer und ewig auch an andere Medien als Y verkaufen darf, wobei X natürlich unterlässt darauf hinzuweisen, dass im Vorfeld nie die Rede war, dass andere als Y sein Material drucken dürfen/ sollen.
Fall 2
Kommen wir zu Punkt 2 der Rechteübertragung. Künstler Z tourt durch die ganze Welt, 100 Länder - 100 unterschiedliche Gesetzgebungen. Leichtester gemeinsamer Nenner: Man darf nur das benutzen, was einem selbst gehört (oder wenn man den Besitzer um Erlaubnis gefragt hat). Also fordert Künstler Z die Rechte ein und "erlaubt" dem Fotografen, die Fotos für Medium Y zu nutzen.
Das ist, wenn man genau drüber nachdenkt, die juristisch sauberste Lösung,
Fotograf X darf für Medium Y soundsovielte Songs des Künstlers Z fotografieren und diese in Y veröffentlichen.
Jetzt der hässliche Teil: Man unterstellt dem Künstler Z, dass er sich mit den Rechten "die Tasche voll" machen will - oder Kosten für Fotografen einspart.
Dabei übersieht man aber: Der Künstler hat sich zwar die Rechte abtreten lassen.... aber er hat gar keine Fotos, die er nutzen könnte.
Er hat lediglich die Rechte, aber keine Fotos.
Demzufolge kann der Künstler sie auch nicht nutzen. Korrekt: Der Fotograf darf sie auch nicht anders als vereinbart nutzen. Was ist daran illegitim?
Insoweit ist die Geschichte also wieder viel heiße Luft, und nichts als das. Die Hässlichkeit besteht nun ausschließlich aus Interpretationen und Weglassen von Informationen durch Fotografen und Medien.
Beide hauen unsubstantiiert dem Künstler auf die Zwölf - anstatt, wie sich das gehört, anständig miteinander zu kommunizieren.
Das verärgert Künstler/ Management/ Veranstalter - und erreicht somit alles, aber keine Verbesserung der Situation.
Mir spielen solche Menschen das Business geradezu zu - denn mit einem ordentlichen Umgangston und angemessenen Konzepten kriege ich immer mehr Geschäft mit Künstlern, die früher viel großzügiger im Umgang mit Medien waren.
Last but not least: Es ist ja nicht so, dass ich die Position der Fotografen nicht verstehe. Der Markt für Konzertfotografie ist hart - und die Honorare mager.
Wenn wir aber ehrlich in uns gehen, machen wir unser Problem zum Problem der Künstler: Weil unsere Auftraggeber uns nicht (mehr) aufwandsgemäß bezahlen (wollen/ können), müssen uns die Künstler mehr Verwertungsrechte zugestehen, als wir - bitte! - angefragt/ vereinbart haben.
Wir Fotografen müssen uns dem Diktat unserer Auftraggeber unterwerfen, denn links und rechts sind immer wieder welche, die den Job für weniger/umsonst machen würden, um “ins Business” zu kommen.
Würde man Fotograf durch Metzgerei ersetzen, dann wäre es jedem klar: Ein Dorf mit 1000 Einwohnern kann keine 19 Metzgereien ernähren. Das nennt man Marktwirtschaft - und wird allgemein akzeptiert.
Immer wieder höre ich den Satz “ich kann genau so gut fotografieren wie Du”. Allein die Argumentation zeigt mir, dass ich diesen Fotografen meilenweit voraus bin, denn genau wie des Metzgers leckere Fleischwurst ihm noch immer kein Überleben im Dorf garantiert, so ist die Fähigkeit, wirtschaftlich zu denken und kreative Alleinstellung-Konzepte überzeugend zu präsentieren genau so wichtig wie die Fotografie selbst.
Viele Grüße aus Los Angeles, Guido Karp."
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FotoTV. Filme mit Guido Karp findet Ihr übrigens hier.
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